Aus dem Leben eines Tölpels

… oder Im Bett gelandet Meine letzten Jahre werde ich im Bett verbringen. Meine Geschwister – wir waren sieben – sind wohl schon alle auf dem Grund des Meeres oder irgendwo gestrandet, zerteilt, ausgeschlachtet, verrostet oder verschrottet. Haben Schiffe eine Geschichte? Die Namen sind bekannt. Das Schiff  von Noah, das Schiff von Kolumbus, das Schiff von Magellan, aber was ist mit den Schiffen geschehen? Von der Titanic wissen wir wenigstens, wo sie ist. Wurde mir erzählt. Ich glaube, es ist Zeit, mich vorzustellen. Alle sagen, ich sei ein Schiff. Dabei  heisse ich wie ein Vogel. Gannet haben sie mich getauft, zu Deutsch Tölpel. Tölpel sind bekannt dafür, dass sie fast ihr ganzes Leben auf dem Meer verbringen. Ihr eleganter Flug erregt Bewunderung.  An Land hingegen ähnelt ihr Gang dem eines Seemanns, der nach langer Fahrt wieder Boden unter den Füssen und etwas Rum im Magen hat. Also, was bin ich? Was muss ich können? Fahren, segeln, schippern? Kann ich alles nicht. Bei mir ist keine Schraube locker, bei mir fehlt eine Schraube. Eine Schiffsschraube. Konstruktionsfehler? Nein, das doch nicht! Ich bin, und darauf bin ich stolz: ein FEUERSCHIFF. Und, um des Kalauers willen: Ein Feuerschiff im Wasser. Feuer und Wasser. Ich muss das erklären, aber vorher möchte ich ganz kurz sagen, wo ich bin. Das „wer“ hatten wir. Also ich bin jetzt  in einem Kiesbett und meine Zukunft hat eine sichere Basis. Nach vielen, bewegten Jahren, ich war immer in Bewegung, liegt nun eine Zeit der Ruhe vor mir. Die grosse Pause. Kennt man. In der Schule. In der Musik. Im Leben. Das „hinten“ bedrückt nicht und das „vorne“ ängstigt nicht. So geht es mir und ich kann euch meine Geschichte erzählen, die ich allerdings, der Übersicht wegen, in Kapitel aufteile. Das ist für mich leichter. Vielleicht für euch auch.

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Mehrsprachige Aufforderung an einer Haustüre zum Schliessen der Türe. (Foto: Adeline Stelzer)

Bitte Türe schliessen

Hochmut kommt vor dem Fall. Hat Gott Humor? Ein schweres Erbe. Königliche Nachrichten. König David hat seine Lieder (Psalmen) zur Harfe gesungen. Ob er wie Stiller Haas, Mani Matter, Konstantin Wecker, Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer etc. Hallenstadien füllte, wissen wir nicht. Wir wissen aber, dass seine Texte, die 3000 Jahre alt sind, bis heute überlebt haben. So wissen wir eine Menge über die damalige Zeit und auch die Hoffart der Babylonier, die sich gottähnlich fühlten und das mit dem Bau eines Turmes «bis zum Himmel» manifestieren wollten. Das erregte den Zorn Gottes. Was tun? Nochmals eine Sintflut? Gott kam auf die Idee, den Menschen das Werkzeug zu nehmen, mit dem sie den Turm errichteten. Die Verständigung untereinander. Er verwirrte ihre Sprache, keiner verstand den anderen und die Menschen verstreuten sich über die ganze Erde. Trotz Sprachproblemen vermehrten sich die Menschen aber, und so entstanden viele Sprachen. Wollte man den anderen verstehen, musste man seine Sprache lernen. Das war nicht immer einfach und schafft bis heute Missverständnisse.  Auswirkungen bis ans Rheinknie. Der Wunsch, sich mal woanders umzusehen, kam auf; die Stadt am Rheinknie war ein Anziehungspunkt. Jeder Besucher, jede Besucherin brachte ihre Sprache mit. Dolmetscher hatten Hochsaison und die Sprachschulen ebenfalls. Aber wie viele Sprachen hört man denn nun in Basel? Von Frau Dr. Velvart (Statistisches Amt Basel-Stadt) stammt die nachstehende Aufstellung über die in Kleinbasel gesprochenen Sprachen. Hier folgt eine kleine Geschichte, wie das Sprachenproblem im Alltag gelöst wird.  Herausforderung: Die Haustür wird nicht geschlossen, bleibt offen und arretiert. Zwanzig Mietparteien, fast ebenso viel Sprachen.  Lösung, die den gewünschten Erfolg brachte. Und der Vollständigkeit halber seien hier sämtliche Sprachen, die im Kleinbasel «erhört» werden können, aufgeführt, mit freundlicher Genehmigung des Statistischen Amtes Basel-Stadt. Deutsch Englisch Niederländisch Afrikaans Jenisch Dänisch Norwegisch Schwedisch Französisch Italienisch Rätoromanisch Spanisch Katalanisch Portugiesisch Rumänisch Russisch Ukrainisch

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Wachtmeister Sacha Lüthi und Dunja Stäheli beim «hotspot» Attila-Passage (Foto: Adeline Stelzer)

Ringen um die Lebensqualität

Ein Dorf macht sich Sorgen über die Entwicklung. Interview mit Dunja Stäheli, Vorstand Dorfverein Kleinhüningen.  Zürich hat ein Dorf. Das «Niederdorf». Basel hat drei Dörfer. Bettingen, Riehen, Kleinhüningen. Riehen und Kleinhüningen haben einen gemeinsamen Grenzverlauf. Sonst eher wenig Gemeinsamkeiten. Aber: Das Dorf Kleinhüningen hat einen Dorfverein. Seit mehr als vierzig Jahren ist der Verein bestrebt, die Lebensqualität zu erhalten und zu steigern. Dieses Bestreben wird mit einer Realität konfrontiert, die an der letzten GV des Vereins zur Sprache kam. Vorstandsmitglied Dunja Stäheli wies in ihrer Präsentation auf Ereignisse hin, über die sich die Einwohnerschaft Gedanken und Sorgen macht. Wir haben sie befragt: Dunja, was ist dein Ressort im Verein und wie kannst Du Deine Vorhaben umsetzen?  Mein Ressort im Dorfverein Pro Kleinhüningen umfasst Schule und Soziales. Wir als Dorfverein Pro Kleinhüningen stehen im engen Kontakt mit den ansässigen Schulen, dem Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt, dem SEM Staatssekretariat für Migration in Bern und der Kantonspolizei Basel-Stadt. Wir sind sehr gut vernetzt. Wie sind dir die Probleme bekannt geworden? Ich lebe seit über 35 Jahren in Kleinhüningen und habe dadurch einen sehr engen Bezug zur Bevölkerung. Die Dorfbewohner haben sich mit diversen Anliegen und Zwischenfällen an mich gewandt. Sie fühlen sich zunehmend unsicher im Quartier. Diebstähle, Drogenhandel, Pöbeleien und Müll im öffentlichen Raum haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. In Zusammenhang mit den beiden Bundesasylzentren sind weitere Unsicherheiten dazu gekommen. Es gibt verschiedene Klagen aus der Nachbarschaft, dass Frauen von Bewohnern der Anlagen verbal belästigt worden seien und die Nachtruhe erheblich gestört und im öffentlichen Raum uriniert werde. Was hast du in die Wege leiten können? Vor wenigen Wochen bin ich mit Wachtmeister mbA Sacha Lüthi vom Community Policing die «Hotspots» in Kleinhüningen abgelaufen. Währenddessen konnte ich ihm die Unsicherheiten und Klagen der Bevölkerung übermitteln. Wir werden für die

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Der Garten Eden, wie Lukas Cranach ihn malte. (Foto: Wikipedia)

Der Luchs und der Laborant

Was sagt das Wort Grenzen und was bedeutet der Begriff? Wenn wir der Tradition glauben, so hat alles Irdische im Paradies begonnen.  Eine Nennung von vier Flüssen erlaubt, das biblische Paradies zu orten. Etymologisch kommt das Wort aus der altiranischen awestischen Sprache und bedeutet «eingezäunte Fläche». In späteren Texten wird das hebräische «pardés» übersetzt mit «von einem Wall umgebenem Baumpark» oder «Garten Eden». Waren Adam und Eva nun in Sicherheit oder gefangen in einer Enge? Das Thema Grenzen hat mich natürlich gefesselt, denn wer unter uns ist nicht in irgendeiner Form damit konfrontiert? Wo beginnt eine Grenze und wo hört sie auf? Wie der Anfang ein Ende hat, hat das Ende einen Beginn.  Was hat das nun mit dem Kleinbasel zu tun? Der Begriff Grenze in beiden Bedeutungen (sicher und eingeengt) haben in mir das Bild von Leben in Freiheit und Unfreiheit entstehen lassen, und da kamen mir der Luchs in den Langen Erlen und der Laborant in der Chemie in den Sinn. Wie könnte, wenn beide sich austauschten, so ein Dialog ablaufen? Was hätten sie sich zu sagen, wenn sie sich etwas zu sagen hätten. Mir kam die Idee einer fiktiven Unterhaltung. Den Luchs nenne ich «LU» und den Laboranten «LA» , damit der Setzer keine grosse Mehrarbeit hat. Gibt es den Setzer noch oder ist diese Spezies ausgestorben? Hören wir den beiden zu: LA: Hallo LU, wie geht es dir? LU: Danke, gut. Sieh mal, der Wärter kommt gerade. Das Essen wird mir gebracht. LA: Ich muss mein Essen selber holen. In der Kantine. Da hast du es besser. Was musst du tun, damit dir der Wärter das Essen bringt? LU: (lacht) Warten! Und du? LA: Ich? Ich muss arbeiten dafür. LU: Mich schliesst man ein; wie ist das bei dir? LA: (grinst) Nun, bei mir ist das

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Alea iacta est

Alea iacta est – wer kennt ihn nicht, diesen Ausspruch? Aber was ist der Hintergrund? Da überschreitet jemand am 10. Januar 49 vor Christus  mit der 13. Legion einen kleinen Fluss, der die Grenze zwischen Gallia cisalpina und Italien bildet. Er entfesselt damit einen Bürgerkrieg von 49 bis 45 v. Chr. siegt am 6. April 46 in Thapsos, wird im Februar 44 v. Chr. zum «dictator perpetuus» ernannt und am 15. März des gleichen Jahres ermordet. Der Name: Gaius Julius Cäsar. Und sein Ausspruch? Den machte er auf griechisch: ἀνερρίφθω κύβος. (hs)

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«Pulpo» – mehr als eine weitere Buvette am Rhein

Acht Arme. Neun Gehirne. Drei Herzen. Blaublütig und intelligent. Maskottchen eines Vereins. Kleines Vorwort:  Pulpo ist eine veraltete Bezeichnung für Kraken der Gattung Octopus. Der Name ist eine Variante des Wortes Polyp, das auf das Griechische πολύποδα (polypoda) zurückgeht, und somit «Vielfuss» bedeutet. Kraken können ihre acht Arme unabhängig voneinander bewegen, da jeder Arm von einem eigenen Nervenzentrum angesteuert wird. So hat ein Oktopus also neun Gehirne und übrigens auch drei Herzen! Das arterielle Herz verteilt das Blut im Körper, zwei zusätzliche Kiemenherzen sorgen für eine erhöhte Durchflussrate der Kiemen. Das Oktopus-Blut ist blau – weil nicht wie bei uns eisenhaltiges Hämoglobin, sondern kupferhaltiges Hämocyanin den Sauerstoff bindet. Im Basler Zoo leben zwei Kraken. Einer hinter den Kulissen im Vivarium, das zweite Tier ist im Schaubecken 43 zu sehen. Nun die Geschichte: Wer nach stürmischer Überfahrt oder gemächlichem Transfer, je nach Wetterlage und Wasserstand die Münsterfähre verlässt und Kleinbasler Boden unter den Füssen verspürt, dem sticht unweigerlich das Schild «Bistro Pulpo» und eine improvisierte Theke des gemeinnützigen Vereins ins Auge. Dahinter befindet sich das Pfarrhaus St. Clara. Die ausserordentlichen Eigenschaften des Pulpo, der zur Familie der Oktopusse oder Oktopoden gehört, führten zur Namensgebung. Vor sieben Jahren wurde der Name Pulpo ins Leben gerufen. Im März vor drei Jahren wurde der gemeinnützige Verein gegründet, der die Lokalität vom «Sekundenzeiger» (Robi-Spiel-Aktionen) übernommen hat.  Das «Vereinsheim»  ist das Pfarrheim St. Clara. Dort sind heute ausser den Räumen, die Pulpo benützen darf, noch andere Nutzergruppen eingemietet, mit denen, wie auch mit der Pfarrei St. Clara ein wertschätzendes und engagiertes Für- und Miteinander gepflegt wird.  Die Räumlichkeiten im Haus und davor dienen primär der Begegnung und auch der Bewirtung nach dem Motto «verzell und bstell». Pulpo ist bekannt bei Hilfesuchenden und Randständigen als Anlaufstelle. Das Büro der Pfarrei befindet sich auf derselben Etage wie das

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