«Pulpo» – mehr als eine weitere Buvette am Rhein

Acht Arme. Neun Gehirne. Drei Herzen. Blaublütig und intelligent. Maskottchen eines Vereins.

Kleines Vorwort: 

Pulpo ist eine veraltete Bezeichnung für Kraken der Gattung Octopus. Der Name ist eine Variante des Wortes Polyp, das auf das Griechische πολύποδα (polypoda) zurückgeht, und somit «Vielfuss» bedeutet. Kraken können ihre acht Arme unabhängig voneinander bewegen, da jeder Arm von einem eigenen Nervenzentrum angesteuert wird. So hat ein Oktopus also neun Gehirne und übrigens auch drei Herzen! Das arterielle Herz verteilt das Blut im Körper, zwei zusätzliche Kiemenherzen sorgen für eine erhöhte Durchflussrate der Kiemen. Das Oktopus-Blut ist blau – weil nicht wie bei uns eisenhaltiges Hämoglobin, sondern kupferhaltiges Hämocyanin den Sauerstoff bindet. Im Basler Zoo leben zwei Kraken. Einer hinter den Kulissen im Vivarium, das zweite Tier ist im Schaubecken 43 zu sehen.

Nun die Geschichte:

Wer nach stürmischer Überfahrt oder gemächlichem Transfer, je nach Wetterlage und Wasserstand die Münsterfähre verlässt und Kleinbasler Boden unter den Füssen verspürt, dem sticht unweigerlich das Schild «Bistro Pulpo» und eine improvisierte Theke des gemeinnützigen Vereins ins Auge. Dahinter befindet sich das Pfarrhaus St. Clara. Die ausserordentlichen Eigenschaften des Pulpo, der zur Familie der Oktopusse oder Oktopoden gehört, führten zur Namensgebung. Vor sieben Jahren wurde der Name Pulpo ins Leben gerufen. Im März vor drei Jahren wurde der gemeinnützige Verein gegründet, der die Lokalität vom «Sekundenzeiger» (Robi-Spiel-Aktionen) übernommen hat. 

Das «Vereinsheim»  ist das Pfarrheim St. Clara. Dort sind heute ausser den Räumen, die Pulpo benützen darf, noch andere Nutzergruppen eingemietet, mit denen, wie auch mit der Pfarrei St. Clara ein wertschätzendes und engagiertes Für- und Miteinander gepflegt wird. 

Die Räumlichkeiten im Haus und davor dienen primär der Begegnung und auch der Bewirtung nach dem Motto «verzell und bstell». Pulpo ist bekannt bei Hilfesuchenden und Randständigen als Anlaufstelle. Das Büro der Pfarrei befindet sich auf derselben Etage wie das Pulpo-Büro, wohin sich aus Versehen oft mancher verirrt. Hilfe kann da verschiedene Formen annehmen – vom finanziellen Zustupf über ein Gespräch zu Hilfe bei Bewerbungsschreiben und vieles mehr. 

Beide Co-Präsidenten des Vereins, Andi Hanslin und Rolf Moser arbeiten, ehrenamtlich im Vorstand und im Betrieb des Bistros. Beide und die übrigen Helfer zeichnen sich durch Liebenswürdigkeit aus, was mehr wiegt als Professionalität. Freiwilligenarbeit ist in einer Gesellschaft, die sich wieder stark am Kapitalismus orientiert, mehr als notwendig. Eines der Ziele des Pulpo ist, mit dem erwirtschafteten Ertrag die Ludothek im Gundeli zu unterstützen. Die Ludotheken Bläsi und St. Johann mussten schliessen. 

Der Eingang zum Bistro Pulpo am Oberen Rheinweg. (Foto: Adeline Stelzer)

Lebenshilfe für die Ludothek

Die Ludothek Gundeli, die seit Juli 2021 von Pulpo gefördert wird, ist ein spielförderndes Freizeitangebot und wertvolles Kulturgut. Es arbeiten dort aktuell ca. zehn Frauen (die Suche nach interessierten Männern blieb bisher ohne Erfolg). Eine der grossen Herausforderungen bildet die Sicherstellung der längerfristigen Finanzierung des Angebots im Quartier. 2022 wurde die Ludothek Gundeli grösstenteils aus den Erträgen des Bistros Pulpos finanziert. Für das laufende Jahr sind Sponsoren willkommen! Es zeigt sich einmal mehr, wie wichtig in unserer komplexen Luxusgesellschaft Lücken nur durch den Einsatz von Menschen, die dies freiwillig tun, gefüllt werden. 

Guy Dannmeyer, der Präsident, hat mir folgende kleine Episode erzählt: Seit März 2022 arbeitet einmal pro Woche ein junger Mann mit einer körperlichen Einschränkung bei mir im Büro. Er hat, nachdem er eine Stelle verloren hat, vergeblich versucht, wieder eine Arbeitsstelle zu finden. Ich wurde von seiner Physiotherapeutin angefragt (das war via Kontakt im Bistro Pulpo) und ich habe spontan einem Kennenlernen zugesagt. Nun arbeitet er schon bald ein Jahr bei uns, und es ist für beide Seiten eine wertvolle Win-Win-Situation.»

Hans Stelzer