Alte und neue Chancen für Künstler

Wie das Kasernenareal entstand und dann «Ent-Sto-Loh» wurde.

Als besonders eindrücklichen Zeugen der Vergänglichkeit habe ich immer das Kasernenareal empfunden. Es weist auf die lange Geschichte an diesem Ort seit dem Mittelalter hin. Damals gab es eine Stadterweiterung mit dem Bau des Dominikanerinnenklosters Klingental, welches lange nach der Reformation zu grossen Teilen zerstört wurde. Aber auch das Kasernenleben, durch den Film «HD Läppli» von Alfred Rasser ins Gedächtnis eingeprägt, ging in den 1960er-Jahren zu Ende. In den Jahren des Wirtschaftswunders gab es zahlreiche Pläne für eine Umnutzung, von einem unterirdischen Autoparking bis zum trendigen Bootshafen. Aber der drohende Abriss des Hauptgebäudes und der angrenzenden Stallungen für die Sanitätspferde konnte verhindert werden. In einem Ideenwettbewerb von 1973 wurden vor allem Wohnbauprojekte vorgeschlagen, dennoch gab es auch für die Eingabe „ENT-STOH-LO» von engagierten Kleinbaslern um Ruedi Bachmann einen Anerkennungspreis. Und genau so kam es: Keines der Projekte konnte realisiert werden und so blieben diesmal alle Ge- bäude stehen und wurden verschiedenen neuen Nutzungen zugeführt. Vorbildlich dafür war die erfolgreiche Geschichte der Ateliergenossenschaft Klingental.

Vom ältesten Atelierhaus in der Schweiz …

In der Chronik «40 Jahre Ateliergenossenschaft Kaserne» wurde 1965 die Ateliernot der Basler Künstler thematisiert. Gewünscht wurden «einfache Arbeitsräume ohne unnötigen Komfort, aber zu angemessenen Mietzinsen». Das erste Atelier der Bildhauerin Mary Viera führte zu ersten Verhandlungen mit Oberst Wellauer, der zusätzliche Räume, «Raum für Raum und Stockwerk für Stockwerk» zur Verfügung stellte. Es entstanden 30 Ateliers für Basler Künstler. 1974 wurde sodann in enger Verbindung mit Mieterinnen und Mietern der Ateliergenossenschaft der «Ausstellungsraum Kaserne» (später Ausstellungsraum Klingental) gegründet.
Bereits zum 20-Jahr-Jubiläum schrieb der Präsident der Atelierge- nossenschaft, Adolf Neth, stolz: «Durch die uneigennützige Zusammenarbeit von Idealisten, Künstlern und Behörden ist eine Institution entstanden, um die man mancherorts beneidet wird.» Kunstschaffende hätten eine Wirkungsstätte gefunden, die es erlaube, sich weitgehend frei von finanziellen Sorgen und ohne ständigen Kündigungsdruck im Nacken ihrem Werk zu widmen.

.. zur neuen Heimat für ältere und jüngere Kunstschaffende

2016 beschloss der Regierungsrat, das marode gewordene Hauptgebäude zu renovieren und das gesamte Areal in einen Erneuerungsprozess einzubeziehen. In der Folge sind auch die Atelierräume im ehemaligen «Kirchenflügel der Kaserne», wo 1862 Bodenkonstruktionen für zusätzliche Geschossflächen eingezogen wurden, umfassend saniert worden.
Im Erdgeschoss befindet sich der Ausstellungsraum neu im Bereich des Chors und er hat zwei neue Eingänge erhalten. Die 30 schonend renovierten Atelierräume werden künftig im Rahmen der neuen Atelierpolitik des Kantons als Fördermassnahme vergeben. In Abstimmung mit der Denkmalpflege wurde darauf achtgegeben, dass die reichhaltige Bau- und Nutzungsgeschichte im Gebäude erlebbar bleibt.

Vom Gründervater zum Neunutzer: Hans Remond

Mit Hans Remond (*1932) ist einer der Gründerväter der Ateliergenossenschaft in eines der neuen Ateliers eingezogen. Mit Wehmut erinnert er sich an die frühere Selbstverwaltung in der Ateliergenossenschaft, in welcher initiative und engagierte Kollegen wie Bruno Gasser oder Marius Rappo für den nicht immer einfachen Ausgleich zwischen den ganz unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten sorgten. Wegen der Umnutzung für die Universität muss er sein Atelier in der Alten Gewerbeschule in Kürze aufgeben.
Deshalb hatte er sich mit vielen anderen Basler Künstlern und Künstlerinnen beworben und wurde im Rahmen der Fördermassnahmen auch für ältere Künstler mit einem längeren Mietverhältnis aufgenommen. Für seine dreidimensionalen Werke benötigt Hans Remond viel Raum, der ihm nun im ersten Stockwerk (einige Etagen tiefer als vorher unter dem Dach) zur Verfügung steht.
Zum Thema von Gegenwart und Vergänglichkeit hat Hans Remund natürlich ein sehr künstlerisches
Verhältnis. In einer aktuellen Broschüre von «Die Aussteller Basel» schildert er den Schaffensprozess mit einem Assistenten, der für ihn aus zugeschnittenem Sperrholz die Vitrinen für die Holzskulpturen verfertigte: «Wir waren zwei versunkene Menschen, wie wir da so zusammen arbeiteten. Diese Energie ist als Kunst-Moment in mich eingeflossen. Das berührt mich immer noch.»

«Ein Tag ist nicht wiederholbar»

Und angesichts der unendlichen Variationsmöglichkeiten seiner Installationen stellt ein Betrachter fest: «Es werden hier Strukturen des Lebens und Strukturen der Zeit fassbar. Auf vielen seiner Werke werden die Daten seines Arbeitens genau festgehalten. Zeitabläufe sind ihm wichtig, und es ist wichtig, einen verschwundenen Tag festzuhalten, denn ein Tag ist nicht wiederholbar.»

Christian Vontobel