Plan B – Kunst in den Leer-Raum

Die Corona-Massnahmen haben sehr viele kleine selbständige Künstler*innen an den Rand des Ruins getrieben. Nicht nur finanziell, sondern existenziell. Denn Kunst braucht ein Gegenüber. Sie will gesehen, gehört, erlebt werden. Das wäre Plan A. Was aber, wenn dieses Gegenüber gesellschaftlich abhandenkommt, weil offenbar nicht «systemrelevant»? mozaik sprach – stellvertretend – mit einer Malerin und einer Musikerin.

A – Sich neu erfinden – Kunstmalerin Jung-Yeun Jang

Die Kunstmalerin Jung-Yeun Jang* (https://jung-yeunjang.ch) wurde in Seoul, Korea geboren. 1990 bis 1995 besuchte sie die École Nationale Supérieure des Beaux-Arts de Paris (E.N.S.B.A.) in Paris und lebt seit 2000 in Basel, wo sie 2010-2012 an der FHNW den Master of Fine Arts machte. In Paris, Seoul und Gwangju in Korea, Berlin, Miami, Basel, Sissach und Zürich machte sie auf ihr Werk aufmerksam und erwarb mehrere Preise. Sie ist verheiratet mit einem Basler Künstler und Mutter eines Jungen. Zentrum ihres Wirkens ist ein grosses, geräumiges Atelier in Kleinhüningen (Gärtnerstrasse 50), in dem einige ihrer teils grossformatigen Werke (viele Porträts von Frauen) hängen. Eine komfortable Sitzgruppe lädt ein für Knüpfen und Pflegen von Kontakten. Dort traf ich sie auch für dieses Gespräch.

mozaik: Frau Jang, wie haben Sie diese Corona-Zeit erlebt und tun es noch?

Jung-Yeun Jang: Es ist eine Zeit der Unsicherheit, der Lähmung, der Angst und des Wartens. Man kann nicht arbeiten, kann keine Ausstellungen machen, nicht reisen. Ich sollte für geplante Ausstellungen nach Korea fliegen. Es gibt keinen Markt für Kunst: Die Zwischenhändler fehlen, die Galerien sind geschlossen. Und man kann nicht planen, weil die Regeln dauernd ändern. Es ist schwierig, Leute zu treffen und Kontakte zu knüpfen. Die Bilder erreichen die Kunstliebhaber*innen nicht mehr.

Was bedeutet dies für Sie?

Die Gefahr, sich in negativen Gedanken zu verlieren ist gross. Das will ich jedoch nicht. Ich denke viel nach und suche Wege, mich neu zu orientieren. Ich muss die fehlende Vermittlung zu “Kunden” selbst in die Hand nehmen. Aber wie? Ich habe das nicht gelernt. Ich habe gelernt zu malen. Insofern muss ich lernen, wie ich meine Arbeit vermarkte und mich publik mache.

Dieses Problem haben Ihre Kolleg*innen ja auch. Gibt es darüber einen Austausch?

Unter Kolleg*innen betreiben wir einen Bilderaustausch, indem wir uns gegenseitig Bilder in die Ateliers geben, in der Hoffnung, dass Kaufinteressierte, welche die Ateliers besuchen, auch auf diese Bilder aufmerksam werden. Leider aber sind Ateliers meist reine Arbeitsplätze und nicht für Besucher eingerichtet

Das ist bei Ihnen ja deutlich anders. Ihr Atelier ist wie ein Salon, in dem Sie auch malen!

Ja genau, das Atelier ist für mich mehr als eine Malstube! Es ist ein Treffpunkt, um mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Kunst ist für mich nicht bloss ein visuelles Ereignis. Es geht auch um Austausch von Ideen. So lade ich gerne (vor allem ältere) Leute zu mir ein, die auf mich aufmerksam werden, wegen meiner Offenheit und meinem asiatischen Aussehen.

Aus den Gesprächen im Atelier- »Salon» ergeben sich auch Kaufinteressen, ja. Und jetzt habe ich gemerkt, dass ich mit meinen Werken auch Dienstleistungen erwerben kann: Kunst als Tauschobjekt, ohne Geld dazwischen! Dies z.B. bei einem Arzt, bei Therapeuten, bei Grafikern, für die Gestaltung eines Katalogs. All dies und die Corona-Pausen bringen mich auf neue Ideen. Ich hätte mir früher nie die Zeit genommen für eine Körpertherapie, die ich jetzt begonnen habe und mit einem Werk von mir «bezahle». Damit unterstütze ich meine Neuorientierung, die nämlich auch eine persönliche ist: Ich will mehr in die Tiefe gehen, mich selber erfahren, will die Art überdenken, wie ich Menschen begegne, wie ich mit ihnen spreche, mit ihnen Ideen und Energie austausche. Die Körpertherapie soll mir helfen, nicht nur besser für meinen Körper, sondern für mich insgesamt zu sorgen. In die Tiefe also, statt in die Weite! Früher bin ich viel herumgereist – Korea, Paris z.B., was jetzt nicht möglich ist. Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Ihr Sich-Neu-Erfinden! *ausgesprochen: Tschung-Jon Tschang